Mit Work-Watch gegen Union-Busting
Günter Wallraff: "Förderung ist für uns eine besondere Wertschätzung"
Gerhard Klas, April 2025
Seit 2012 unterstützt die von Günter Wallraff, Albrecht Kieser und anderen ins Leben gerufene Initiative Kolleg:innen, die von Union-Busting und Betriebsratsmobbing betroffen sind. Und die bekommen es hautnah zu spüren, wenn Menschenwürde im Betrieb mit Füßen getreten wird. Etwa wenn ihr Chef mit übler Nachrede, Abmahnungen, Kündigungen und Psychoterror gegen sie vorgeht, weil sie sich für bessere Arbeitsbedingungen und die Rechte ihrer Kolleg:innen eingesetzt haben.
Keine Branche, ob landwirtschaftliche Betriebe, Schwerindustrie oder Dienstleister, ist vom Union-Busting ausgenommen. Bei work watch e. V. landen Jahr für Jahr Dutzende Fälle. Die Initiative bietet Hilfestellungen für Betroffene an, sie reichen von individueller Beratung und Konzepte zum Aufbau von Gegenwehr im Betrieb bis hin zu regionalen und bundesweiten Öffentlichkeitskampagnen, häufig in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften.
Bossing beim Arbeitgeber-Präsidenten
"Eine Kampagne, die uns bei Work-Watch die vergangenen zwei Jahre intensiv beschäftigt hat, war die gegen das Betriebsratmobbing beim Heidelberger Dosieranlagensteller ProMinent", so Albrecht Kieser. Pikant: Einer der Eigentümer ist der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, vielen bekannt aus den Medien als Gegner des Streikrechts und Freund eines erhöhten Renteneintrittsalters.
"Wir haben verschiedene Betriebsräte, darunter den ehemaligen Vorsitzenden, beraten und unterstützt", erzählt Kieser. Treffen, Videokonferenzen und in den akuten Phasen mehrere Telefonate wöchentlich standen auf dem Programm. Gesammelt wurden zusammen mit anderen Initiativen außerdem viele tausend Unterschriften unter einen offenen Brief von Günter Wallraff, die dann in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion anlässlich einer Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD an den Arbeitsminister Hubertus Heil übergeben wurden. Ein Kamerateam von labournet.tv begleitete die Aktion (zum Video: "Betriebsratsmobbing bei ProMinent").
"Trotz des enormen Aufwands", so Kieser, "hörte das Bossing nicht auf". Bis auf eine Ausnahme ist heute keiner der Betriebsräte mehr im Betrieb, die sich so viele Jahre für ihre Kolleg:innen engagiert hatten.
© work-watch
Erfolg gegen Betriebsratsmobbing bei dm
"Andere Kolleg:innen, die wir allein 2024 begleitet haben, arbeiten bei Lidl, Pattberg, TK Maxx, Marktkauf, Ottobock und aktuell vor allem bei dm", so Kieser. Die ohnehin nicht gerade als gewerkschaftsfreundlich bekannte Drogeriekette versucht seit mehr als einem Jahr, einen engagierten Betriebsratsvorsitzenden in ihrem größten Verteilzentrum in Weilerswist mit einer fristlosen Kündigung nach der anderen loszuwerden (mehr dazu auf work-watch.de).
"Wir haben Proteste vor Filialen in mehreren Städten angeregt und auch hier hat Günter Wallraff mit einem offenen Brief interveniert", berichtet Kieser. Die Kampagne lief auch über die Sozialen Medien, unter anderem mit sogenannten "Memes" (siehe Bild). Diesmal gab es einen vorläufigen Erfolg: Am 30. Januar 2025, einen Tag vor dem Gerichtstermin vor dem Kölner Landesarbeitsgericht, hat dm die Klagen zu den sechs fristlosen Kündigungen zurückgezogen, die dort verhandelt werden sollten.
Ziel ist Zermürbung
"Leider endet der Terror der Geschäftsführung – in der Regel unterstützt von spezialisierten Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen – häufig mit einer Abfindung", bedauert Kieser. Denn viele der attackierten Kolleg:innen können irgendwann einfach nicht mehr, sind ausgebrannt und erschöpft. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende von ProMinent musste sich sogar in stationäre psychologische Behandlung begeben. Er ist kein Einzelfall, und das ist durchaus gewollt. "Zermürbung ist das Ziel des Betriebsratsmobbings", erklärt Kieser. Die Täter gehen dabei mit ganz wenigen Ausnahmen straffrei aus, obwohl das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) den Tatbestand "Behinderung von Betriebsratsarbeit" laut § 119 unter Strafe stellt.
"Arbeitsunrecht" stand am Beginn der Stiftung
Dass Work-Watch das erste Projekt ist, das die Stiftung in diesem Blog vorstellt, ist kein Zufall. Denn Betriebsratsmobbing war die Initialzündung zur Gründung der Stiftung: Drei Betriebsräte – Peter Vollmer, Hans Köbrich und Rainer Knirsch – hatten Mitte der 1980er-Jahre bei BMW in Berlin-Spandau mit Kettenkündigungen und der Manipulation von Betriebsratswahlen durch den Arbeitgeber zu kämpfen, nachdem sie zahlreiche Verbesserungen für ihre Kolleg:innen gegen die Werksleitung durchgesetzt und den gewerkschaftlichen Organisationsgrad in dem Motorradwerk verdoppelt hatten. Auch Dank des Solidaritätskomitees, wesentlich geprägt durch den Politikwissenschaftler Bodo Zeuner, der sich als erster seiner Zunft dem Thema "Arbeitsunrecht" widmete, die Gewerkschaftsaktivistin Constanze Lindemann und Frank Steger, heute Vorsitzender der Stiftung, machte der "Fall BMW" bundesweit Schlagzeilen und führte nach einigen Terminen vor Arbeitsgerichten schließlich zur Weiterbeschäftigung der drei BMW-Betriebsräte (mehr dazu im Buch: "Macht und Recht im Betrieb | Der Fall BMW-Berlin").
Parallelen werden rückblickend vor allem zu ProMinent deutlich: In beiden Fällen setzte der Arbeitgeber auf von ihm initiierte, sogenannte "gelbe" Betriebsratslisten, die den engagierten Betriebsräten das Handwerk legen sollen. Der Unterschied: Damals forderten die Betroffenen zusammen mit vielen Beschäftigten und Kolleg:innen aus anderen Betrieben den Ausschluss der "gelben" Betriebsräte aus der IG Metall, den die Gewerkschaftssekretäre in Berlin zwar nicht umsetzten, aber auch nicht offen zurückweisen konnten. Daran war in Heidelberg nicht zu denken: Dank eines Juristen, den ProMinent von einer bekannten Union-Busting-Kanzlei abgeworben hatte und der die engagierten Betriebsräte und ihre Unterstützer:innen hart attackierte, war die Belegschaft tief gespalten und eingeschüchtert. Und die örtliche Leitung der IG Metall hatte keine Probleme bei der Zusammenarbeit mit den "gelben" Betriebsräten.
Damals in Berlin war das Betriebsratsmobbing noch ein medialer Skandal. Heute ist es – auch durch unzählige spezialisierte Anwaltskanzleien – so alltäglich geworden, dass es überregionalen Medien noch nicht einmal eine Randnotiz wert ist. Aber das bedeutet nicht, dass Widerstand zwecklos ist. Ganz im Gegenteil: "Es gilt eine Faustregel", so Kieser, "je besser die Belegschaft gewerkschaftlich organisiert ist, umso schwerer haben es die Chefs".
Betriebsratsmobbing zum Offizialdelikt machen
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) behauptet einfach, Betriebsratsmobbing sei kein nennenswertes Problem und verwies letztes Jahr in der ARD-Tagesschau darauf, dass bei den Staatsanwaltschaften nur wenige Verfahren zur Behinderung von Betriebsratsarbeit aufliefen. "Die Behauptung erinnert eher an das Ungeheuer Loch Ness: Viele wollen es gesehen haben, nur entdeckt hat es bisher niemand", heißt es herablassend in einer Stellungnahme des BDA (mehr im Artikel auf work-watch.de).
Tatsächlich liegt die Zahl der Strafverfahren, in denen es nach Paragraph 119 BetrVG zu einer Anklage kommt, jährlich meist im einstelligen Bereich. Aber Arbeitsrechtler:innen können auch erklären, woran das liegt: Es handelt sich um ein Antrags-, nicht um ein Offizialdelikt. Das heißt, um Betriebsratsmobbing zur Anklage zu bringen, bedarf es eines Betriebsrats, der dagegen klagt. Und dazu kommt es meist nicht, weil die meisten Betriebsräte irgendwann, nicht selten nach Jahren des Kampfs mit gesundheitlichen Folgen, den Betrieb verlassen und sich schließlich auf eine Abfindung einlassen.
Bei einer Aufwertung zum Offizialdelikt – auf Initiative der AfA stand das tatsächlich so im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung – müssten die Staatsanwaltschaften gegen Arbeitgeber ermitteln, wenn ihnen ein Fall der Vereitelung oder Manipulation von Betriebsratswahlen, der Behinderung der Gremienarbeit oder der Bevor- oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern aufgrund ihrer Funktion bekannt wird. Dann könnten künftig Arbeitgeber hinter Gittern landen, die Menschenwürde in der Arbeitswelt mit Füßen treten.
Günter Wallraff
"In mehreren hundert Fällen konnte work watch e. V. Betroffene bei Betriebsratsmobbing und Union-Busting unterstützen. Dass unser Verein eine institutionelle Förderung durch die Stiftung erhält, ist für uns eine besondere Wertschätzung."
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